«Meine Arbeit als Shiatsu-Therapeutin ist mehr als ein Job»

Interview mit Sabine Bannwart, Präsidentin Shiatsu Gesellschaft Schweiz

Für wen ist die Shiatsu-Ausbildung interessant?
Eine Ausbildung zur KomplementärTherapeut*in in der Methode Shiatsu steht jedem offen. Voraussetzung ist eine abgeschlossene Berufslehre oder Matur. Shiatsu wird in der Regel als Zweitberuf gewählt.
Die Ausbildung spricht Personen an, die sich für Menschen und ganzheitliche Gesundheit interessieren. Neben dem wertschätzenden, empathischen Umgang mit Menschen, sollte ein grosses Interesse daran bestehen, diese ganzheitlich und im Sinne der Salutogenese zu begleiten. Salutogenese setzt sich mit dem Entstehen und der Erhaltung der Gesundheit auseinander. Dabei spielt neben körperlichen Beschwerden natürlich auch die Psyche eine Rolle. Somit ist es wichtig, dass du dich mit vielen verschiedenen Aspekten des Menschseins und der Gesundheit auseinandersetzen möchtest. Hinzu kommt die eigentliche Methodenausbildung.
Shiatsu ist eine Therapieform, in der Therapeut*innen viel in Bewegung sind und körperlich arbeiten. Freude an Bewegung und eine gewisse Fitness sind wichtig für den Beruf.
Meist ist man als KomplementärTherapeut*in in der Methode Shiatsu auch für die Führung der eigenen Praxis zuständig. Das bedeutet Schreibarbeit und Organisation, eine gewisse Affinität zur Administration ist hilfreich.
Ich kenne viele verschiedene Therapeut*innen, und wir sind eine bunte Gruppe von Menschen. Wir kommen aus unterschiedlichsten Erstberufen, das macht die Shiatsu-Welt farbig und vielseitig.

Was hat die Ausbildung dir persönlich gebracht?
Ich möchte keine Lektion der Ausbildung missen. Neben einem sehr wertvollen allgemeinbildenden Teil, der einen Einblick in die Medizin gibt, habe ich unglaublich lehrreiche Stunden der Selbsterfahrung durchlaufen. Der Eigenprozess und die Bearbeitung persönlicher Themen ist ein äusserst wertvoller Teil der Ausbildung. Während der Ausbildung hatte ich einen direkten und intensiven Zugang zu meinem Körper, ich habe mich so lebendig gefühlt. Ich habe körperlich Dinge wahrgenommen, welche ich nicht für möglich gehalten hatte und gleichzeitig viel Stille in mir gefunden. Eine Stille, die mich bis heute täglich in den Shiatsu-Behandlungen begleitet. Diese Stille gibt Ruhe, Gelassenheit und viel Raum für Entspannung.
Vor meiner Shiatsu-Ausbildung war ich Marketing Managerin, oft drehten die Gedanken Tag und Nacht in meinem Kopf. Auch an sonnigen Wochenenden in den Bergen sass ich auf der Sesselbahn, und die Gedanken hörten einfach nicht auf. Ein Phänomen, das ich heute kaum mehr erlebe. Auch in schwierigen Momenten meines Lebens kann mein Kopf die Momente der Leere und Stille zulassen. Das ist der schönste persönliche Gewinn aus der Ausbildung.
In meinem Erstberuf erfuhr ich Anerkennung hauptsächlich über das Salär. Schon im ersten Berufsjahr als Shiatsu-Therapeutin erntete ich Dankbarkeit und Wohlwollen. Ein viel schönerer Lohn, als der auf dem Bankkonto. Dies empfinde ich noch heute so. Wäre ich in meinem Erstberuf geblieben, würde ich viel mehr verdienen, ein Weg zurück kam für mich aber nie in Frage.

Wie und wo kann man sich zur Shiatsu-Therapeutin ausbilden lassen?
In der Schweiz gibt es acht Shiatsu-Schulen. Fünf Schulen befinden sich in der Deutschschweiz, vier davon bieten die komplette Ausbildung an. Die Ausbildungen orientieren sich an den Vorgaben der OdA KT und führen zum Branchenzertifikat. Der Ausbildungsaufbau und die Schwerpunkte sind jedoch unterschiedlich. Am besten informiert man sich hier auf der Webseite, liest die Portraits und besucht anschliessend 2-3 Informationsabende.
Wichtig ist, dass du dich 100% wohlfühlst. Die Dozent*innen, die Räume und der Aufbau der Ausbildung müssen stimmen, damit du für dich das Maximum rausholen kannst. Schliesslich geht es neben einem neuen Beruf auch darum, die wertvolle Selbsterfahrung in einem Umfeld zu machen, welches eine komplette Öffnung zulässt. Dann profitierst du wirklich von der Ausbildung.

Du bist selbst Dozentin an einer Shiatsu-Schule, was gefällt dir an dieser Aufgabe?
Ich unterrichte zwei Tage Praxisführung. Mein Erstberuf ist kaufmännische Angestellte, und ich war viele Jahre als Marketing Managerin tätig. Dies bietet die ideale Grundlage für diesen Stoff. So schlage ich die Brücke zwischen meinen zwei Welten: die der Wirtschaft/des Managements und die des Gesundheitswesens. Mir macht es viel Freude, die Student*innen kurz vor Start der eigenen Praxis zu motivieren. Ich kann ihnen viele Hilfsmittel zur Hand geben, die Angst vor der Praxisadministration nehmen und Tipps zum Aufbau einer Klientel geben. Dies ist für Studierende, welche nicht aus dem Erstberuf „Büro“ kommen oft eine grosse Hürde. Diese kann man aber gut überwinden, dabei helfe ich sehr gerne.

Mit welchen Argumenten empfiehlst du die Ausbildung deiner besten Freundin?
Ich liebe Shiatsu, ich geniesse die Stille im Shiatsu-Raum jeden Tag von Neuem. Ich schätze die Gespräche und die vielen Begegnungen mit Menschen. Ich habe Einblick in unendlich viele Lebenskonzepte, was mich selbst immer wieder inspiriert und reflektieren lässt, aber auch dankbar sein lässt, wie ich mein Leben gestalten darf. Auch nach bald 15 Jahren macht mir jede Shiatsu-Behandlung Freude. Daneben empfinde ich viel Dankbarkeit für die Flexibilität, die mir mein Beruf gibt. Als Mutter einer Tochter kann ich meine Praxiszeiten selber bestimmen. Ich gebe an, wann ich verfügbar bin und plane Frei- und Ferientage ein für unser Familienleben. Ich habe das Optimum an Freiheit und immer wieder die Möglichkeit, die Arbeitszeiten anzupassen. Manchmal habe ich mehr Raum, dann biete ich mehr Termine an, manchmal braucht es mich zu Hause oder bei meinem zweiten Job als Präsidentin der Shiatsu Gesellschaft Schweiz. Dann schätze ich die Flexibilität einer eigenen Praxis umso mehr.